Sho Miyake gehört zu
den stillen Zauberern des Gegenwartskinos. Schon in Filmen wie „Small, Slow but
Steady" entwickelte er eine Handschrift, die man als Kino „der neuen
Schüchternheit" beschreiben könnte: zarte Beobachtungen, tastende
Gesten, Figuren, die in der Stille eine Würde finden, die dem lauter werdenden
Kino oft fehlt. Wie heilsam und verträumt-philosophisch diese Haltung wirkt,
zeigt sein neuer Film „Two Seasons, Two Strangers".
Der
auf einem Manga basierende Film erzählt von zwei Begegnungen – im Sommer und im
Winter. Am Strand treffen sich ein Mann und eine Frau, beide verunsichert,
beide aus der Bahn geworfen. Doch es bleibt ein flüchtiger Moment – Figuren,
die nur im Drehbuch existieren, das Lee, eine koreanische Autorin in Japan, zu
schreiben versucht. Im zweiten Teil zieht sich Lee in die verschneite Provinz
zurück, begegnet einem kauzigen Vermieter – wieder bestimmen Schweigen und
Distanz das Zwischenmenschliche. Doch im Schnee und eisiger Stille entsteht
Vertrauen: eine Sprache, die zum Schreiben befähigt. Dazwischen eine
wundervolle Episode mit Koikarpfen – vielleicht das schüchternste Kinoabenteuer
des Jahres. Dass Miyake damit den Goldenen Leoparden von Locarno gewann, ist
nicht nur eine Sensation, sondern auch ein Versprechen: Dieses Kino der
Zurückhaltung ist im Zentrum des Weltkinos angekommen. Ein Geschenk, das wir
dankbar annehmen sollten.

