Der
größte europäische Gegenwartsdenker des Kinos, Radu Jude, ist zurück –
und wie! Gleich zwei Filme hat er dieses Jahr in den Festivalzirkus geworfen,
doch nichts ist so radikal, maßlos, überbordend
wie „Dracula".
Für gewöhnlich
ist dieser Mythos eine westliche Projektion: Von Bram Stokers Roman bis zu
Hollywoods Blutsaugern. Rumänien, die vermeintliche Heimat des Untoten, blieb
dabei immer außen vor. Jude aber holt ihn nun heim – und macht ihn zum
explosiven Prisma der Gegenwart.
Das
Ergebnis ist ein hemmungsloser Bilder-Overkill, ein wilder Essaystrom zwischen
Film-Experiment, politischem Pamphlet und grotesker Jahrmarktsattraktion.
Zwanzig Schauspieler verkörpern über hundert Figuren, Episoden
springen von Vampirjagden über Science-Fiction-Szenarien bis zu trashigen
KI-Sequenzen. Dracula selbst taucht als Streikbrecher auf, als Zombie, als
Symbolfigur der rumänischen Rechten – und immer wieder als Projektionsfläche für
die Gewalt der Geschichte. Zwischen Obszönität, Witz und scharfem Denken wird
„Dracula" zum Meta-Film über das Kino selbst – über Erzählweisen,
Überproduktion, Erwartungshaltungen. Radu Jude liefert keine Antworten, sondern
entfesselt eine anarchische Flut von Bildern und Tönen,
die alles ins Wanken bringt, was man im Kino für selbstverständlich hielt. Am
Ende mag der Mythos nicht gerettet sein, aber das Kino ist es: als Ort des
Unvorstellbaren, als Raum, in dem selbst ein alter Vampir neue Schatten werfen
kann.

