Ein
rotes Holzhaus am Rand von Oslo, die Farbe ist längst von Rissen durchzogen:
Dort setzt Joachim Trier an – und macht das brüchige Gemäuer zum Sinnbild für
eine Familie, die schon lange keine mehr ist: Vater Gustav Borg (Stellan Skarsgård),
gefeierter Regisseur und alternder Bohemien, kehrt nach Jahrzehnten zurück zu
seinen beiden Töchtern, die er einst für die Karriere verließ. Vor allem
Nora (Renate Reinsve), inzwischen selbst Schauspielerin, weigert sich, dem
Vater entgegenzukommen. Erst recht, als dieser vorhat, mit ihr sein neuestes
Drehbuch zu verfilmen. Zwischen vielsagenden Blicken und beredetem Schweigen
entspinnt sich ein Kammerspiel über das unsichtbare Erbe eines besonderen
Künstler-Clans.
Der Norweger Joachim Trier inszeniert dieses doppelbödige Familienporträt mit schmerzhafter Klarheit, die nicht von ungefähr an Ingmar Bergmans Meisterwerk „Herbstsonate" erinnert. Auch dort öffnete die Frage, ob Kunst ein Ersatz für gelebtes Leben sein kann, die Wunden einer Eltern-Kind-Beziehung. So wird „Sentimental Value" eine Meditation über das Erbe von Eltern an ihre Kinder – und über Kunst als letzte Sprache, wenn alle anderen Kommunikationswege längst zerbrochen sind. Ein elegantes, berührendes Drama, das beim Filmfestival von Cannes dieses Jahr mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde und dem genialen Stellan Skarsgård eine der eindrucksvollsten Rollen seiner späten Karriere schenkt.


