Auf der Ostberliner Seite war die Mauer weiß, auf der anderen Seite bunt bemalt. Fünf Jugendliche aus der Weimarer Subkultur - Wolfram Hasch, die Brüder Jürgen und Thomas Onißeit, Frank Schuster und Frank Willmann - wollten diese sprichwörtliche Schönfärberei mit einem weißen Strich durchbrechen. Bei ihrer Protestaktion 1986 wurden sie von DDR-Grenzsoldaten erwischt, wobei Hasch gefasst, nach Bautzen verfrachtet und von der BRD freigekauft wurde. Fast 25 Jahre später stellt sich heraus, dass es eine undichte Stelle gab, die direkt an die Stasi berichtet hat.
Die 1980er Jahre in Ostdeutschland. Die Mauer steht noch, das System hält dicht. Die Menschen werden von der DDR-Regierung kontrolliert und bespitzelt. Für einige junge Leute ein Zustand, gegen den sie sich auflehnen wollen. Gerd Kroske porträtiert in seinem Film STRICHE ZIEHEN fünf Menschen, die sich damals mit gezielten Aktionen rebellisch gegen das repressive Staatssystem stellten. Doch sie wurden immer wieder beobachtet, verfolgt und letzen Endes auch verraten. Von einem Vertrauten aus den eigenen Reihen. Kroske selbst hält sich in seinen Kommentaren zurück, lässt seine Protagonisten die Geschichte von damals in Retrospektive beschreiben und zeigt, wie tief die Narben sitzen. Doch der Film wertet und urteilt nicht. Er zeigt die Perspektive des "Verräters" ebenso wie die der "Verratenen". Denn dass Jürgen O. seinen Bruder und seine Freunde an die Stasi verriet, sieht er bis heute als den "Kardinalfehler seines Lebens" an. Er hofft auf Vergebung, auf Versöhnung, auf die Chance eines Neuanfangs. Dass der Film eben nicht gezielt auf ein solches "Happy End" aus ist und am Ende, nach einer Konfrontation der Brüder, alles offen bleibt, ist eine weitere Qualität dieses klug aufgebauten Dokumentarfilms. Universelle Fragen nach Schuld und Vergebung stehen immer wieder im Zentrum der Erzählung. Kroske montiert geschickt und organisch dokumentarisches Material in die Geschichte ein, passend zu den persönlichen Erinnerungen der Protagonisten sind es meist Super 8-Filme, gedreht von ihnen selbst. Und trotz des sehr privaten und intimen Blickwinkels, der sich ganz unaufdringlich vermittelt, ist der Film mehr als nur die Geschichte über fünf Menschen. Er behandelt neben persönlichen Erinnerungen auch ganz allgemeine Fragestellungen wie Schuld, Vergebung und Vergangenheitsbewältigung, die themenübergreifend wichtig sind. Gerd Kroske ist mit STRICHE ZIEHEN ein kluges und in seiner Ruhe bewegendes persönliches Porträt gelungen, das die allgemeine gesellschaftliche Situation der 1980er Jahre in der ehemaligen DDR beleuchtet. Ein Film, der die richtigen Fragen stellt und zum Nachdenken anregt.