Dieser Frage spürt Thorsten Trimpop in seinem preisgekrönten Dokumentarfilm nach. In Japan hat Heimat eine tiefe Bedeutung. Die Landschaft, in die man geboren wird, trägt der Mensch ein Leben lang in sich. Sie prägt ihn, sie ist ihm heilig: sie ist sein Furusato 古里. So fühlen sich die verbliebenen Bewohner der Gegend um Fukushima verantwortlich – für ihre Heimat, die Auf- rechterhaltung ihrer Traditionen, ihre Mitmenschen oder Tiere. Menschen wie der Aktivist Bansho, die junge Pferdezüchterin Miwa oder die ältere Frau Noda – sie alle bleiben in der Heimat, mit zum Teil bereits spürbaren Folgen für ihre Gesundheit. Wobei nicht alle von ihnen diese Entscheidung freiwillig treffen – Entschädigungszahlungen für ihre unbewohnbaren Häuser haben nur wenige erhalten, andere – wie die Familie von Miwa – haben keinerlei Hilfen bekommen. Sie können es sich schlicht nicht leisten zu gehen. Wie auch den Schulkindern, die im Chor „ich liebe Fukushima, ich gehe hier nicht weg“ singen, bleibt ihnen keine andere Wahl, als in der verstrahlten Heimat zu bleiben.
Dokumentarfilm

Dokumentarfilm
Furusato - Wunde Heimat
FSK 12Filmstart 08.03.2018Filmlänge 94 Min.

FILMHANDLUNG
Bewertung
Minamisoma ist eine Provinzstadt im Osten Japans, malerisch gelegen zwischen zwei Bergketten und dem Meer. Früher war die Gemeinde ein im ganzen Land bekanntes Surfer Paradies. Heute gehört sie zur nuklearen Sperrzone in Fukushima. Am 11.März 2011 tötete hier ein Tsunami mehr als 20.000 Menschen und löste im Kernkraftwerk Fukushima Daiishi eine komplette Kernschmelze aus, durch die Radioaktivität vom Wind landeinwärts getragen wurde. Fünf Jahre später ist ein Großteil der Stadt Minamisoma weiterhin unbewohnbar. Die Regierung hatte die Kleinstadt in zwei Bereiche unterteilt: ein Stadtteil wurde komplett evakuiert und im anderen gilt immer noch nur eine Empfehlung den Ort zu verlassen. Viele Menschen warten darauf, in ihre alten Häuser zurückkehren zu können. Aber eigentlich wissen sie, dass ihre Heimat, ihr \"Furusato\", verloren ist. Der Film beginnt mit einer beeindruckenden Animation, die die Erdbeben im Zeitraum der Katastrophe zeigt. Es sind Tausende Beben, die wie Einschläge in eine verwundbare Landkarte erscheinen. Der Film vermeidet jeglichen Kommentar und so kann sich die Wirkung der Grafik voll entfalten. So gibt Thorsten Trimpop die Stimmung für seinen Dokumentarfilm vor, in dem er sich in eben jene Gebiete begibt, in dem die Menschen mit großer Angst und noch größeren Zweifeln geblieben sind. Er begleitet sie bei dem fast unmöglichen Alltag in einer menschenverlassenen und vergifteten Umgebung. Trimpop kommentiert die Geschehnisse wenig, lässt die Verzweiflung und die Frustration in den Gesichtern der Menschen für sich sprechen. Eine Frustration auch über eine Regierung, die die Menschen im Unklaren darüber lässt, wie sicher sie jetzt wirklich sind in ihrer alten Heimat. Auf der Tonebene ist neben den Aussagen der Bewohner oft nur der gespenstisch mechanische Ton des Geigerzählers zu hören. Durch diese geschickt komponierte Tonebene ist die Bedrohung durch die nukleare Verwüstung konstant spürbar, wogegen auf der Bildebene wenig davon zu sehen ist. So macht Trimpop das Problem der nuklearen Gefahr überdeutlich. Man sieht sie nicht - und doch weiß man um sie. Am Ende des Films findet, wie schon seit über tausend Jahren, ein Samurai Pferderennen statt. Für ein paar Tage scheint alles ein bisschen so zu sein wie früher. Und doch wissen alle: So wie früher kann es nie mehr werden. Eine brisante, kluge und wichtige filmische Auseinandersetzung mit einem hochaktuellen Thema.
Trailer - Furusato - Wunde Heimat
Film-Details
Cast & Crew
MusikThorsten TrimpopRegieThorsten TrimpopKameraThorsten Trimpop